ensembles and musicians:
Caris Hermes Group
Es war längst überfällig: Caris Hermes legt ihr erstes Album unter eigenem Namen vor! Vielfach hatte sie sich in den letzten Jahren als verlässlich-virtuose Sidewoman bewiesen, geschätzt von Mitmusiker*innen, aber auch vom Publikum, das sie mit der rhythmischen und melodischen Vielfalt ihres Spiels immer wieder aufs Neue beeindruckte. Tatsächlich hat ihr Kontrabass eine eigene Stimme – und viel zu erzählen. Ob einfühlsam singend oder summend, ob seelenvoll groovend oder ausgelassen walkend: Mit Raffinesse und Eleganz zelebriert Caris Hermes die ganze Spannweite ihres Instruments.
Nun also ist es so weit: Nach ihrer kurzen Debüt-EP „Human“ vor vier Jahren folgt nun „Caris Hermes“ als CD und LP. Der schlichte Albumtitel ist so aufrichtig wie selbstbewusst, verbirgt sich dahinter doch weit mehr als ein weiterer Daumenabdruck im eigenen Portfolio: Das Album ist eine ebenso verführerische wie komplexe Klangreise, ein betörendes, mal klanglich Funken schlagendes, mal balladesk-intimes Meisterwerk.
Ins Zentrum stellt Caris Hermes ihr Trio, zu dem auch Pianist Billy Test und Schlagzeuger Niklas Walter gehören. Mit Andy Haderer, Paul Heller, Stefan Pfeifer-Galilea und Martin Sasse schauen versierte Gäste und langjährige Weggefährten vorbei. Ob im Trio, Quartett oder Quintett, stets entfacht Caris Hermes ihre leuchtende Klangwelt voller Bezüge, Verästelungen und sensibler Stimmungslagen. Alles scheint für sie möglich im Spannungsfeld von Swing, Groove, Straight Ahead und subtilem Modern Jazz.
Über die anspruchsvolle Begleitform hinaus präsentiert sich Caris Hermes vor allem als virtuose Soloinstrumentalistin. Zu Beginn widmet ihr Paul Heller – ganz im Sinne und Stil von Charlie Parkers Klassiker „Billie’s Bounce“ – seine Komposition „Caris Bounce“, eine rhythmusbetonte Arabeske mit feinem Dialog von Saxofon und Kontrabass, einem herrlich „pikanten“ Trompetensolo sowie kurzen Zwiesprachen von Klavier, Schlagzeug und Bass. Auffallend schon hier, wie intensiv Caris Hermes die Melodielinien ausformuliert, die Töne lange nachhallen, quasi ein- und ausatmen lässt.
Dies prägt auch ihre Interpretation von Stevies Wonders‘ Song-Klassiker „As“: Klavier und Bass teilen sich die eleganten Melodiebögen, graziös umschmeichelt Billy Test das Thema, während der „singende“ Kontrabass seine Gedanken zwischen schnarrender Tiefe und hymnischer Helle auslotet und dabei weit in den melodischen Kern deskomplexen Songs vordringt. Als sei es nach dem eleganten Parforce-Ritt „Extraordinary People“ dann Zeit für einen Moment der Ruhe, taucht Caris Hermes mit „Abeyance“ knapp sieben Minuten lang in einen See von purer Schönheit. Nur wenige Töne etablieren die Melodie, die sich in ihrer perlenden Eleganz nicht hinter Klassikern wie Ellingtons „Mount Harissa“, Brubecks „Koto Song“ oder Yusuf Lateefs „Love Theme from Spartacus“ verbergen muss. Zum Ende mündet dann das ereignisreiche, perfekt austarierte Album in „Twelve for J.“, einen Song, mit dem sich Caris Hermes tief vor ihrem Mentor John Goldsby verbeugt und zugleich noch einmal ihre eigene, reife Gestaltungskunst auf den Punkt bringt.
So ist das neue Album weit mehr als „nur“ eine schöne Momentaufnahme, nämlich ein für lange Zeit nachwirkendes Hörerlebnis. Wie sang Stevie Wonder in „As“? „Until the rainbow burns the stars out in the sky / Until we dream of life and life becomes a dream…“