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Rainer Tempel

Rainer Tempel
piano
Jazz-Musiker, Komponist und Arrangeur:
1971 in Tübingen geboren, aufgewachsen in Mössingen
1992 bis 1993 Jurastudium in Tübingen
1994 bis 1998 Jazzpiano-Studium am Meistersingerkonservatorium in
Rainer Tempel

Jazz-Musiker, Komponist und Arrangeur:

1971 in Tübingen geboren, aufgewachsen in Mössingen

1992 bis 1993 Jurastudium in Tübingen

1994 bis 1998 Jazzpiano-Studium am Meistersingerkonservatorium in Nürnberg

1996 Gründung der Rainer Tempel Big Band

Seit 2000 Dozent an der Musikhochschule Luzern

Tempel ist verheiratet und hat ein Kind.

Rainer Tempel ist erst 30 und schon eine Größe in der Big-Band-Szene

TÜBINGEN. Er redet nicht nur schnell, er arbeitet auch schnell. Denn mit 30 Jahren ist Rainer Tempel schon an einem Punkt angelangt, den andere erst viele Lebensjahre später erreichen. Breite Bekanntheit in der deutschen Jazzszene war der Lohn für seine unkonventionellen Kompositionen und ungewohnt klingenden Big-Band-Arrangements.

Neben zahlreichen Gruppen gründete er - im Alter von 25 Jahren - seine eigene Big Band, vor kurzem erschien seine fünfte CD. Außerdem ist Tempel Hochschuldozent in der Schweiz und nach wie vor Lehrer an der Musikschule Steinlach. All das, so scheint es, ist nicht das Ergebnis einer gelungenen Karriereplanung, sondern meist intuitiver Entscheidungen.

"Ich bin gerade total am Anschlag", sagt er. Der Unterricht frisst ihm Zeit auf Kosten eigener Projekte weg. Zwei Tage in der Woche verbringt er in Luzern. An den Wochenenden bereitet er Vorlesungen vor, und zwei weitere Tage lehrt er an der hiesigen Musikschule. Dazu kommen ungefähr 150 Konzerte im Jahr, 40 mit dem früheren Tab-Two Joo Kraus, dann die mit der NDR-Bigband, dem von ihm geleiteten Jazzorchestra seiner Hochschule und für das Musical Cats. Nur zehn Konzerte jährlich mit seiner eigenen Musik - das ist Tempel zu wenig. Obwohl ihm das Unterrichten viel Freude macht, will er deshalb im kommenden Jahr kürzer treten.

Mit seinen Kompositionen hat er dem Dinosaurier Big Band neues Leben eingehaucht, ließ Jazz, Pop und Klassik ins Repertoire einfließen statt überlieferte Strukturen immer wieder zu reproduzieren. Hat versucht, das strenge Reglement der klassischen Kompositionen aufzubrechen, indem er Stücke mit drei Anfängen oder ohne Schlussteil schrieb. Wohin will Tempel seine Musik nun steuern? Wahrscheinlich weiß er es selbst noch nicht so genau.

Pop wird wohl weiterhin eine starke Rolle spielen, "wegen der Rhythmen", vielleicht geht er auch weiter auf dem Weg, den er eingeschlagen hat, und greift mehr und mehr auf atonale Bausteine zurück, wenn er Lieder schreibt. Oder Tempel baut mehr Elemente der Weltmusik in seine Kompositionen ein. "Bisher war ich nicht so stark davon beeinflusst, wahrscheinlich, weil ich noch keinen Musiker getroffen habe", sagt er.

Da taucht sie wieder auf, die Ungeplantheit seines Lebens und seiner Karriere. Sie ist an vielen Stationen festzumachen. Am abgebrochenen Jura-Studium beispielsweise, oder an seinem Ausstieg aus der Landesjazzband mit 17 Jahren, weil es ihm zu schwer war. Auch einen Studienplatz für Komposition in Köln lehnte er ab. "Nach meinem Jazzpiano-Studium in Nürnberg hatte ich dazu dann doch keine Lust mehr. "

Eigentlich verwundert es, dass einer, der Spontaneität lebt, in einem Musikzweig Erfolg hat, der nur eine gezähmte, eine in Takten zählbare Spontaneität zulässt. Tempel wollte immer wieder mal die Musik an den Nagel hängen. In die Big Band der Musikschule trat er mit 15 Jahren nur ein, weil es ihn faszinierte, eine Gruppe zu haben. "Man ist eigentlich nicht zu hören, weil der Rest so laut ist", beschreibt er das Los des Big-Band-Pianisten. Bald darauf hatte er ein Erlebnis, das ihm den Jazz so nah brachte, dass er künftig nicht mehr von ihm ließ.

Nach einem Konzert von Chick Corea in der Neuen Aula wartete er, bis das Publikum gegangen war, stieg auf die Bühne zu Corea und sagte "Hey Chick, I know a song of you! " Heute lacht er, wenn er das erzählt. Damals war er sicher aufgeregt, als er am Klavier saß und mit Corea vierhändig ein Stück spielte. Das Autogramm von damals hing lange Zeit eingerahmt bei Tempels an der Wand.

Die Verbindung mit dem Jazz sollte sich als dauerhaft herausstellen. Auch wenn Tempel mittlerweile einen tiefen Einblick in die Funktionsweise der Szene bekommen hat und nicht mit allem glücklich ist. Es gebe wenig Preise für Jazz in Deutschland und auch keine Spartenradiosender mehr. "Wir werden völlig zugemüllt von den Privatradios mit ihren festgelegten Plattenlisten. " Auch was die Landesregierung von Baden-Württemberg anbelangt, sehe es nicht besser aus. Das Land fördere Jazzclubs nur mit 200ú000 Mark. Und die Landes-Jazz-Preisträger sind "meist Studenten des Professors, der in der Jury sitzt".

Das ist in anderen europäischen Ländern besser geregelt. In Frankreich gibt es ein Nationalorchester, in Skandinavien wird ein Komponist gar vom Staat bezahlt, und auch in der Schweiz ist die Situation günstiger. "Dort herrscht ein Bewusstsein, dass es sich um ernsthafte Musik handelt. Und die Jugend interessiert sich dafür. " In der Schweiz ist auch der Anteil von Frauen in der Jazzmusik weit höher als in Deutschland. Dennoch will Tempel bleiben, wo er ist: in Tübingen, seiner Geburtsstadt. "Ich hab' mir überlegt, warum ich hier bin", sagt er.

"Aber Tübingen ist sehr gut für mich, weil ich schnell in Stuttgart und in Luzern bin. " Nach Amerika ziehen und dort groß rauskommen möchte Tempel nicht. Das Einzige, was er als Plan mit sich herumträgt: in einem klassischen Trio zu spielen mit Klavier, Gitarre und Bass. "Das ist der pianistische Offenbarungseid, das muss noch ein bisschen reifen. Da wag' ich mich erst mit vierzig dran. " Aber wer weiß, vielleicht muss man gar nicht so lange warten. Denn Rainer Tempel macht viele Dinge, und zwar schnell.

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