Ensembles und Musiker*innen:
Philipp Schiepek & Walter Lang
Das Debütalbum des damals 25-jährigen Gitarristen Philipp Schiepek stammt aus 2019. Anfang 2020 wurde er dann mit dem BMW Welt Young Artist Jazz Award ausgezeichnet. Dass Schiepek, der mit Klavier und Akkordeon groß geworden und mit zwölf zur Gitarre gekommen war, über das wichtigste Gut eines Musikers verfügt, seine eigene Handschrift, hatte sich da bereits herumgesprochen.
Und so war Schiepek schon während seines Studiums an den Musikhochschulen Würzburg und München die erste Wahl, wenn in Süddeutschland ein versierter, vielseitiger, technisch makelloser Gitarrist gesucht wurde. Von 2016 an spielte er im BundesJazzorchester (BuJazzo) wie als Solist in klassischen Orchestern, in diversen heimischen Bands etwa von Mulo Francel sowie an der Seite von internationalen Größen wie Richie Beirach und Klaus Doldinger.
Und fand überdies noch Zeit für sein erstes eigenes Projekt „Golem Dance“, für das er sogar den kanadischen Star-Saxofonisten Seamus Blake gewinnen konnte.
Eine Blitzkarriere, die sich auch seinem gleichberechtigten Interesse für Klassik und Jazz verdankt. Schiepek empfindet den Wechsel zwischen den Welten als gegenseitige Bereicherung und ist wie nur ganz wenige bis heute beidem treu geblieben: der klassischen Akustikgitarre und der elektrische Jazzgitarre, die doch eigentlich zwei völlig verschiedene Instrumente sind, von der Spieltechnik über das Timing bis zum Zusammenspiel. Eine Ausnahmestellung, die jetzt auch zu seinem ACT-Debüt „Cathedral“ führte, einem intimen, aber überwältigendem Duo mit dem Pianisten Walter Lang.
Der 59-jährige Lang ist ein großer Romantiker unter den deutschen Jazz-Pianisten. Was damit zusammenhängen könnte, dass der gebürtige Schwabe mit Klassik, Volksmusik und den Beatles aufwuchs und eher zufällig am Berklee College of Music in Boston und damit beim Jazz landete. Die Liebe zur emotionsgeladenen Melodie und zum Rubato, zu melismatischen Harmonieführungen und einer sparsamen Verwendung von dafür umso stärker betonten Noten ist ihm geblieben. Kein Wunder, dass er so viele Vokalisten begleitet hat wie wenige andere. Und auch seine Mitgliedschaft im Trio Elf, das sehr früh und erfolgreich elektronischen Dancefloor-Sound für den Jazz adaptierte, ist kein Widerspruch, ist er doch auch dort für den melodisch-lyrischen Part zuständig. Außerdem ist er stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen: „Die Kombination von Klavier mit der üblichen Jazzgitarre ist oft problematisch“, erzählt Lang zur Entstehungsgeschichte von „Cathedral“: „Deshalb habe ich seit drei Jahren über ein Duo mit akustischer Gitarre mit Nylonsaiten nachgedacht. Und während der Corona-Zeit auch dafür ungeheuer viel komponiert. Philipp ist mir schon länger aufgefallen, und so habe ich ihn einfach mal gefragt.“
Man kam zu einer Session zusammen: „Wir spielten vier Stunden am Stück und merkten, dass es perfekt funktioniert. Wir mussten gar nicht groß über die Musik reden“, berichtet Schiepek. Die Kraft einfacher Melodien führt bei „Cathedral“ ihr Spiel zusammen, unisono, abwechselnd oder auch als Frage-und-Antwort-Spiel (oder alles zusammen in „Estrela Cadente“, übersetzt Sternschnuppe). Beide ergänzen sich ideal, Langs weicher Anschlag und seine typischen Wechsel zwischen Single-Note- und Akkord-Spiel werden von Schiepeks ebenso filigraner Technik mit vielen, oft an klassische spanische Gitarre erinnernden Verzierungen umarmt.
Vor allem macht „Cathedral“ seinem Namen alle Ehre: Das Album ist ein Hochamt des großen Klangs. Ein berührender, verzaubernder Dialog zwischen Klavier und Gitarre, Jung und Alt, Klassik und Jazz, Form und Freiheit. Ein musikalisches Gespräch, das in seiner Tiefe und Intimität perfekt zu und in diese Zeit passt. Getragen und ruhig, fast asiatisch meditativ wie im Opener „Sumniran“ oder im dahinfließenden „Kamo“, entstanden am gleichnamigen, durch das japanische Kyoto strömenden Fluss. Hymnisch wie im Titelstück oder im einzigen von Schiepek beigesteuerten Stück „Pilgrimage“, das seine Sehnsucht nach einer langen Wanderschaft in Töne gießt. Melancholisch wie in „The World Is Upside Down“, fast ein Stück Trauerarbeit zur Pandemie. Aber auch tröstlich wie beim finalen „The Encourager“.
So macht „Cathedral“ eben auch Hoffnung. Auf das Wiedererwachen der Musik, auf die weitere Umarmung der Tradition durch die universelle, an die Zukunft gewandte Sprache des Jazz – und nicht zuletzt auf die faszinierenden Beiträge, die der junge Philipp Schiepek dabei noch liefern wird.