Album: Where Are We Now?

Where Are We Now? / Atrin Madani

Atrin Madani

Erscheinungsdatum: 24. Mär 2023
Where are we now? Wo stehen wir jetzt? Das fragen wir uns angesichts von Pandemie-Verunsicherung, geopolitischen Umwälzungen und den Bildern der Frauen im Iran im Herbst 2022, die für ihre Rechte auf die Straße gehen. Bilder, die Atrin Madani, Sohn iranischer Einwanderer, besonders beschäftigen. Where are we now? Dies ist auch eine Frage, die sich jede Generation von Jazzmusikerinnen und Jazzmusikern aufs Neue stellen muss. Madani, Jahrgang 1998, hat für sich eine Antwort gefunden, die so klar und präzise ist wie sein Gesang: Was wir gerade am meisten brauchen, ist Ehrlichkeit. Demut. Und Qualität. All das findet sich überreichlich auf dem Debütalbum des Berliners ohne Ost- oder West- davor, ohne Mauern und Grenzen im Kopf, wie der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz einmal über den Sänger schrieb.
Madanis Erstling »Where Are We Now?« ist eine einzige große Liebeserklärung. An die Magie, die entsteht, wenn sich Worte und Melodien zu Erzählungen formen, welche einem einfach nicht aus dem Kopf gehen wollen. »Songs« nennt man diese Gebilde landläufig. Aber wenn Madani sie mit seinem fabelhaften Quartett singt, werden sie zu cineastischen Seelenpanoramen.
Where Are We Now? / Atrin Madani

Ensembles und Musiker*innen:

Atrin Madani & Band

Olaf Casimir
Kontrabass
Tobias Backhaus
Tobias Backhaus
Schlagzeug

Where are we now? Wo stehen wir jetzt? Das fragen wir uns angesichts von Pandemie-Verunsicherung, geopolitischen Umwälzungen und den Bildern der Frauen im Iran im Herbst 2022, die für ihre Rechte auf die Straße gehen. Bilder, die Atrin Madani, Sohn iranischer Einwanderer, besonders beschäftigen. Where are we now? Dies ist auch eine Frage, die sich jede Generation von Jazzmusikerinnen und Jazzmusikern aufs Neue stellen muss. Madani, Jahrgang 1998, hat für sich eine Antwort gefunden, die so klar und präzise ist wie sein Gesang: Was wir gerade am meisten brauchen, ist Ehrlichkeit. Demut. Und Qualität. All das findet sich überreichlich auf dem Debütalbum des Berliners ohne Ost- oder West- davor, ohne Mauern und Grenzen im Kopf, wie der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz einmal über den Sänger schrieb.

Madanis Erstling »Where Are We Now?« ist eine einzige große Liebeserklärung. An die Magie, die entsteht, wenn sich Worte und Melodien zu Erzählungen formen, welche einem einfach nicht aus dem Kopf gehen wollen. »Songs« nennt man diese Gebilde landläufig. Aber wenn Madani sie mit seinem fabelhaften Quartett singt, werden sie zu cineastischen Seelenpanoramen.

Man hört dem Schöneberger durchaus die intensive Beschäftigung mit Vorgängern wie Frank Sinatra, Mel Tormé, Andy Williams oder Tony Bennett an. Er ehrt die Meister jedoch, indem er sie nicht kopiert, sondern selbstbewusst seinen eigenen Weg geht. Und der führt nicht über die Resterampen des Great American Songbooks oder durch die mit einem verkrampft postmodernen Augenzwinkern bedachten Pop-Charts der jüngeren Vergangenheit. Basierend auf der Klang-Ästhetik einer Norah Jones, einer Diana Krall oder eines Till Brönner widmet sich Madani vielmehr einer handverlesenen Auswahl an Liedern, die im Jazz bislang weitestgehend unbesungen geblieben sind.

Die Rede ist von den exquisiten Erzeugnissen der anspruchsvollen Singer / Songwriter-Kunst der 1970er Jahre, die unter dem Signum »Yacht-Rock« in der jüngeren Zeit mit Compilation-Serien wie »Too Slow to Disco« ein erstaunliches Comeback in den Clubs feierte. Songs, die wie geschaffen sind für Madani. Denn ähnlich wie Michael Franks oder Donald Fagen, den beiden Säulenheiligen des ausgefuchsten Seventies-Pop-Rocks, verfügt der junge Berliner über die seltene Gabe, enorm Komplexes federleicht klingen zu lassen. Zu der Geschichte von »Where Are We Now?« gehört aber auch die zutiefst persönliche Verbindung, die der Millennial zu den Liedern der Boomer hat – und dabei nebenbei die vermeintlich unüberwindlichen Frontlinien zwischen den Generationen als obsolet erscheinen lässt.

»Everybody's Talkin'« etwa verfolgt Madani schon seit seiner Kindheit. »Mein Vater ist ein totaler Musikfreak, der Song lief bei uns immer in der Version von Harry Nilsson mit dieser komischen nasalen Country-Stimme«, erzählt der Sänger mit einem Lachen. Für ihre Lesart des Stücks, das durch den Film »Midnight Cowboy« berühmt wurde, ließen sich Madani, Pianist Christian von der Goltz, Gitarrist Alexander Ruess, Bassist Olaf Casimir und Schlagzeuger Tobias Backhaus von dem hypnotischen Calypso-Groove inspirieren, mit dem Ahmad Jamal seinen Hit »Poinciana« 1958 auf der Aufnahme »Live at The Pershing« versehen hatte.

»Tempted«, das im Original von der britischen Rockband Squeeze stammt, lief Madani einmal zufällig in einer eher obskuren Version des niederländischen Metropole Orchestra mit Jazzgesangs-Koryphäe Kurt Elling über den Weg. Gilbert O'Sullivans »Alone Again (Naturally)« wiederum habe er immer für eine fröhliche Nummer gehalten, verrät der Sänger. »Bis ich dann mal genauer auf den unglaublich traurigen Text hörte.« Seine von Billy Petrys tröstender Trompete veredelte Bearbeitung erzeugt eine lyrisch adäquate Gänsehaut. Gleiches gilt für Nick Drakes »Things behind the Sun«, das Madani und seine Mitstreiter in einen reizvollen Dialog mit der Klangwelt eines Sting treten lassen. »Maxine« und »Brooklyn (Owes The Charmer Under Me)« aus dem Steely-Dan- und Donald-Fagen-Kosmos haben ebenfalls eine starke biografische Komponente für den Vokalisten, der seinen Eltern zufolge schon sang, bevor er überhaupt sprechen konnte. Bei einem seiner regelmäßigen Besuche in Kanada, wo seine Mutter lebt, freundete er sich bei einer Jam-Session in Toronto mit einem singenden Rentner-Ehepaar an. Das verstand es als seine heilige Pflicht, den talentierten deutschen Sänger in die Welt von Fagen & Co. einzuführen. Mit Erfolg. »Auf dem Rückflug habe ich nur noch Donald Fagen gehört«, erinnert sich Madani. Die Arrangements zu dem Beatles-Song »Fool On the Hill« und zu Coldplays »Yellow« schließlich fußen auf der Auseinandersetzung des Sängers mit den Stücken während seines Jazzstudiums an der Hochschule für Musik in Dresden und am Jazz-Institut Berlin.

Von besonderer Bedeutung für den Berliner, der als Teil der deutschen Nachwuchs-Eliten-Big-Band BuJazzO Auftritte u. a. in New York, Chicago, Israel und auf dem Balkan hatte, ist zweifellos David Bowies 2013 veröffentlichtes »Where Are We Now?« Madani verleiht der emotionalen Ergriffenheit des Briten über den Wandel Berlins nach dem Mauerfall eine ungemein feingliedrige vokale Gestalt.

Im Gegensatz zu dem Protagonisten in Bowies Original ist er aber kein »man lost in time«. Madani, dessen enorme Leidenschaft für gute gesungene Geschichten sich auch in einem reinen deutschen Liederprogramm von Brahms bis Wir sind Helden manifestiert, mit dem er wiederholt in der Berliner Bar jeder Vernunft auftritt, ist sich Zeit, Raum und Verantwortung nämlich sehr genau bewusst. »In Deutschland und in Europa haben wir im Jazz oft das Problem, dass wir viel zu viel Kunst machen wollen. Und nicht die Kunst darin sehen, andere Menschen zu berühren«, sagt der Sänger.

Mit »Where Are We Now?« gelingt Atrin Madani genau das: den Zuhörenden nahezukommen und sie mit auf eine Reise zu nehmen. Ins Gestern und Morgen. Ins Hier und Jetzt. Dorthin, wo der Jazz schon immer am besten aufgehoben war.

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